eine der anrührendsten Weihnachtsgeschichten


hat für mich O.Henry geschrieben. Ich frage mich, ob ihm eine antike Sage bekannt war, die zusammengefasst so ging:

Jupiter und noch zwei andere Götter wandelten unerkannt auf der Erde um die Menschen zu prüfen. Doch diese ehrten das Gastrecht nicht und überall, wo sie anklopften, wurden sie abgewiesen. dann kamen sie zu einer armseligen Hütte hoch oben in den Bergen, da lebte ein altes Ehepaar, das sie freundlich aufnahm und mit dem wenigen, das es besaß, herzlich bewirtete.

Am anderen Morgen gaben sich die Götter zu erkennen und wollten die Leute belohnen, doch die dankten und wünschten sich nur, gemeinsam zu sterben, wenn ihre Zeit gekommen ist.

Die Zeit verging, und als sie merkten, dass der Tod schon Nahe war, setzten sie sich auf die Schwelle ihres Hauses, blickten ins Tal hinunter und erklärten sich, was sie einander bedeuteten.
„Weißt du,“ sagte der Mann „wir hatten ja nie viel und unser Leben war hart, ab und an ein Hühnerbraten war unser Luxus. Da war das Einzigste, wie ich Dir meine Liebe zeigen konnte, dich die Keulen des Huhnes essen zu lassen, die ja das leckerste am Huhn sind.“

„Achherrje,“ sagte da seine Frau. „Und ich habe aus Liebe zu dir immer auf die Hühnerbrust, die ich so gern mag, verzichtet.“

Sie umarmten sich und starben und aus ihren Körpern wuchsen später dann Zypressen.

Und hier ist die anrührende Weihnachtsgeschichte von O.Henry zu lesen.

Eine unangenehme Frage


© Bettina Buske

Was musst du mich das denn jetzt fragen? Als ob ich neben dem Ärger beim augenblicklichen Projekt mit dem Tod meiner Mutter nicht genug zu verarbeiten hätte, dachte Martin. Bitte, Anna,  alles ist gut so wie es ist. Ich ein Familienmensch? Bin doch viel zu selten zu Hause. Mein Leben ist eingerichtet, warum etwas ändern? Anna, du bist eine tolle Frau, ich liebe dich – glaub ich – aber deshalb auf Familie machen?
Und laut sagte er: „Anna, ich habe zurzeit wirklich genug andere Probleme. Lass uns ein andermal darüber reden.“
„Martin, ich will eine Antwort!“ erwiderte Anna energisch. „Ich muss wissen, wie du dir das weitere Zusammensein mit mir vorstellst. Hör mal, wir sind jetzt gut vier Jahre zusammen Ein Vierzigjähriger wird doch wohl sagen können, was er vom Leben erwartet. Diese Unverbindlichkeit in unserer Beziehung habe ich satt. Entweder wir heiraten, oder…“
„Oder?“ fragte Martin, um wenigstens irgendetwas zu sagen.
„Oder wir beenden unsere Beziehung. So schwer es für mich auch sein wird.“
Anna zog sich ihren Mantel über und öffnete die Tür. „Ich jedenfalls will Kinder. Ich werde nicht jünger und bin nicht mehr bereit, mich hinhalten zu lassen. Ruf mich in drei Tagen an und sag mir, wie du dich entschieden hast.“
Sie zog die Wohnungstür hinter sich zu. Nachdenklich lauschte Martin dem Klang ihrer Schritte im Treppenhaus.

Das Telefon klingelte, seine Schwester Mareike war am Apparat.„Hallo Martin, schlechte Nachricht. Vater kam heute ins Krankenhaus.“
Martin erschrak. „Und, wie geht es ihm? Was ist überhaupt passiert?“
„Vater hatte einen Zuckerschock. Seit Mutters Tod ist er doch nicht mehr der alte. Er isst fast nichts und keine Ahnung, ob er seine Tabletten richtig nimmt. Wir müssen uns was einfallen lassen, “ fuhr sie fort, „das Alleinsein bekommt unserem Vater gar nicht.“
„Was kann ich da machen Mareike, ich bin doch nur selten da?! Nimmst du ihn vielleicht zu dir? Ich kann dir dabei mit Geld helfen.“
„Martin, unser Haus ist schon für uns fünf fast zu klein. Vielleicht, dass er bei mir in der Nähe eine kleine Wohnung bezieht. Aber, das sollten wir dann morgen mit ihm im Krankenhaus besprechen.“
Gemeinsam betraten die Geschwister am nächsten Tag das Krankenzimmer. Mareike stellte einen Stuhl an das Bett ihres Vaters und begann das Gespräch: „Papa, wir haben uns überlegt, wenn du hier raus kommst…“
„Ick jeh in keen Altenheim.“ sagte der Vater.
„Nein Papa, hör doch mal…“
„Nee, kannste dia uffn Kopp stelln, ick jeh nich.“
„Sollste doch auch gar nicht Papa, du sollst umziehen, zu mir in die Nähe.“
„Ick zieh ooch nich um.“
„Lass mal Papa, das machen wir dann für dich“ mischte sich Martin in das Gespräch. Sein Vater sah ihn an und erwiderte: „Jeh doch mal zur Seite Junge, ick kann Muttern sonst jarnich sehen.“
Erschrocken blickten sich die Geschwister an.
Schnell antwortete Martin: „Aber Papa, Mutter ist doch seit drei Wochen tot!“
Ärgerlich legte sein Vater die Stirn in Falten. „Denkste denn, det weeß ick nich?“ Und nachdenklich setzte er hinzu: „Ich vasteh ja ooch nich, wie die det da uffn Friedhof machen, det se mir besuchen kann.“
“Wie die det da uffn Friedhof machen…“ wiederholte Mareike und sagte dann: „Papa, wir reden morgen weiter, ruh dich man aus.“
Am nächsten Morgen wurde Martin in aller Frühe vom Klingeln des Telefons geweckt, es war seine Schwester. Sie weinte so stark, dass er nur mit Mühe verstehen konnte, dass der Vater in der Nacht gestorben war.
Weil Martin seiner Schwester entlasten wollte, übernahm er diesmal all die unerfreulichen Erledigungen, die bei einem Todesfall zu verrichten sind.
Die Haushaltsauflösung machten beide zusammen, es kam ihnen nicht Recht vor, das fremden Menschen zu überlassen. Bei der Arbeit waren sie sich wieder nah wie in Kindheitstagen und sie genossen diese Nähe. Sie staunten gemeinsam, was ihre Eltern im Laufe des Lebens in der Wohnung angesammelt hatten und an wie vielen Gegenständen auch ihre Erinnerung haftete. Oft fiel es ihnen schwer, sich von den Dingen zu trennen, obwohl die Sachen in ihrem eigenen Leben keinen Nutzen hatten. Stundenlang erzählten sich die Geschwister gegenseitig ihre Erlebnisse mit den Eltern und Martin notierte nebenher einiges davon für den bestellten Trauerredner.
Am Donnerstag endlich rief Martin bei Anna an. Er hatte das Telefonat immer wieder verschoben, morgens hatte er sich gesagt, dass es noch zu früh für dieses Telefonat wäre und abends fand er es schon zu spät, bis er den Fristablauf von Annas Ultimatum versäumte. Dabei hatte er oft an sie gedacht und Mareike vieles über sie erzählt.
Der Anrufbeantworter schaltete sich ein. Eigentlich hasste Martin diese Geräte, aber jetzt war er erleichtert, dass ihn Annas Stimme aufforderte: Lieber Anrufer, keine Scheu, erzähl dem Gerät nach dem Piep, was du zu sagen hast. Schnell sprach er seine Entschuldigung für den verspäteten Rückruf auf und teilte ihr den Termin für die Beerdigung mit.
In der Friedhofskapelle würdigte der Trauerredner mit seiner Ansprache das Leben des Vaters; er sprach über die überwiegend harmonische Ehe der Eltern, dass sie mit Fleiß einen Gemüsestand auf dem Markt betrieben hatten und sich nach Kräften mühten, ihren Kindern einen guten Start ins Leben zu verschaffen. Er sprach über die Freundschaften, die der Vater gepflegt hatte und über seine Interessen. All das war richtig und rührte die Anwesenden zu Tränen, doch Martin schien es plötzlich banal, nur an der Oberfläche gekratzt. In seinem Kopf spukten die letzten Sätze herum, die er von seinem Vater gehört hatte und diese wurden jetzt für ihn so sinnvoll, so bedeutend.
Hatte er sich anfangs dem aufkommenden Gedanken noch widersetzt, ob vielleicht doch etwas dran sein konnte, dass sein Vater in den letzten Stunden die Mutter wirklich gesehen hatte, war es jetzt, hier in der Friedhofskapelle, plötzlich nicht mehr wichtig, ob die Erscheinung der Mutter Wahn oder Wirklichkeit war, den für seinen Vater war sie doch wahrhaftig.

Als der Sarg von den Trägern aufgenommen wurde und der Trauerzug sich formierte, dachte Martin, dass eine Liebe gut gelebt wurde, wenn einem der schon verstorbene Partner so wichtig war, dass man ihn in den eigenen letzten Lebensstunden wieder sieht  und seine Hand tastete nach Anna.

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Kältetod


Nur graue Federn blieben
von einer Ringeltaube
die in der Nacht an Kälte starb.
Dem Fuchs wars Lebenshilfe.

Zu früh gebalzt das Täubchen
denn  hoch ist noch der Schnee
und niedrig die  Temperaturen
kein Grassamen ist zu finden.

Traurig macht mich nun
der graue Federkreis im Schnee,
Das  Symbol für Liebe und Treue – gestorben.
Ich mochte sein sanftes Gurren.

© Bettina Buske

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Der Taglilie gleich



t_taglilien_gelb

Meine Liebe zu Dir gleicht einem Taglilienstängel.
Für einen Tag blüht eine Blüte und schwindet dann,
an anderen Tagen andre Knospen sich entfalten,
bis alles abgeblüht, mir nur der kahle Stängel bleibt.

Meine Liebe zu dir sollte sein ein starker Stecken,
eine sichere Stütze auf weiter Wanderung
und wenn ich Anlauf nehme,  Hilfe beim Absprung
um über meinen Schatten weit zu fliegen.

Wie gern möchte ich so fliegen und verlassen,
was mich bedrückt. Doch muss ich gehen ungestützt
und schauen wie dem Dunkel zu entkommen.
Doch immer noch knospet der Taglilienstängel.

-Gemini-