Russlands großer Märchensammler war Aleksander Nikolajewitsch Afanassjew (russ. Александр Николаевич Афанасьев; )
Geboren wurde er 1826 nach julianischem Kalender am 11. Juli ./ das entspricht dem 23. Juli nach gregorianischem Kalender in Bogutschar im Gouvernement Woronesch;
Gestorben ist er am 23. Septemberjul./ 5. Oktober 1871greg. in Moskau an der Schwindsucht.
Afanassjew besuchte das Gymnasium in Woronesch und studierte danach vier Jahre lang Rechtswissenschaften an der Universität Moskau.
In dieser Zeit beschäftigte er sich erstmals mit historischer Kulturforschung. Ab 1849 war er Archivar des Moskauer Außenministeriums. 1856 übernahm er die Leitung der Kommission zur Publikation staatlicher Urkunden und Verträge.
Afananssjew, ein großer Bewunderer der Brüder Grimm, sammelte im 19. Jahrhundert nach ihrem Vorbild Märchen in Russland, wobei er sich besonders für die Gemeinsamkeiten der Märchen verschiedener Volksgruppen interessierte, ein sinnvoller Ansatz, um den Untertanen eines Vielvölkerstaates eine gemeinsame Identität zu ermöglichen.
Ich hatte beim vergleichendem Lesen der Märchen den Eindruck, dass er auch die ersten Ausgaben der Grimmschen Märchensammlung zur Grundlage nahm, um eigene, von der russischen Kultur und Mentalität geprägte Märchen zu schreiben, so wie Wilhelm Grimm durch seine Bearbeitungen aus klitzekleinen Bruchstücken einer Geschichte etwas Eigenes, von der deutschen Kultur und Mentalität geprägtes schuf. Aber das ist eine geradezu ketzerische These, weil sie der offiziellen Lehre widerspricht. Weshalb ich das meine, werde ich an anderer Stelle ausführlicher erklären.
Nicht von ungefähr haben sich die Romantiker zu Beginn des 19. Jahrhunderts so intensiv der Welt der Märchen zuwandten. Es war eine Zeit dramatischer Veränderungen und die Menschen waren auf der Suche nach Identität als Nation bzw. als Staat.
Alexander Nikolajewitsch Afanassjews wesentlichstes Verdienst ist es, in der Zeit zwischen 1855 und1863 „Russische Volksmärchen“ herausgegeben zu haben. Sie wurden in Russland, wie Grimms Märchen in Deutschland, ein riesiger Erfolg, auch als Kinderliteratur.
Wie auch die Grimms wollte er ethnologisch und literaturwissenschaftlich den Mythen der Märchenwelt auf die Spur zu kommen. Dabei konnte er auf seit 1840 bei der Russischen Geographischen Gesellschaft archivierte Aufzeichnungen von Sammlern aus ganz Russland, zurückgreifen und so entstand eine Sammlung von gut 450 Märchen.
Es heißt, Afanassjew hätte sie dabei nur sehr wenig bearbeitet, hätte sie nur von Elementen der Schriftsprache bereinigt um die ursprüngliche Erzählsprache so authentisch wie möglich zu vermitteln.
Afanassjew hatte die These, dass es viele Ähnlichkeiten zwischen den Märchen verschiedener indo-germanischer Völker gibt und dass die Märchen verschiedener Kulturen zum Teil auf ähnliche oder gleiche Mythen zurückgehen und diese Mythen weiter Bestand haben, weil sie den Menschen über alle religiösen und kulturellen Unterschiede hinweg zu eigen sind.
Hier ein link zu einer Sendung des WDRs:
http://gffstream-6.vo.llnwd.net/c1/m/1366980998/radio/zeitzeichen/WDR5_Zeitzeichen_20110723_0920.mp3