Herbstzeit – Krimizeit


Grund genug, um auf eine Neuerscheinung hinzuweisen:

NETZFISCHER

von Uwe Hartig

Das Leben sollte mehr zu bieten haben als Leichen und Verbrechen, glaubt er, männlich, 43, Kriminalpolizist. Doch die Wahrscheinlichkeit ist größer, dass sich ein Täter nach einem geglückten Coup freiwillig stellt, als dass eine Frau an die Tür seines Herzens klopft.
Die Richtige im Internet zu finden, scheint einfach. Hals über Kopf stürzt sich M43 in die virtuelle Welt. Auf seinen Streifzügen durchs Netz findet er W41, eine alleinerziehende Frau mit Tochter, die genau weiß, was sie nicht will. Belangloses Wortgeplänkel entpuppt sich als fundamentale Lebensweisheit und umgekehrt.
Ohne dass sie es bemerken, wird die virtuelle Welt zu ihrer gemeinsamen Plattform, Begegnungsstätte, Kampfarena, Droge. Obwohl das erste reale Treffen zum Desaster wird, verabreden sie sich aufs Neue.
Zur gleichen Zeit aber macht das wahre Leben keine Pause. M43 gerät in einen Strudel aus Zweifeln, Hoffnung, Schwarz und Weiß. Seine einst so heile Welt gerät aus den Fugen. Als schließlich ein flüchtiger Täter zu Tode kommt, verliert er vollends den Boden unter den Füßen. Wo endet die Realität, wo beginnt die virtuelle Welt?

Mehr Infos unter http://www.wandlitzer-autoren.de

Gedicht der Woche 38/2010


Hoffmann von Fallersleben

Schmetterlings Sterbelied

„Leb‘ wohl, mein Vater Sonnenschein!
Du, meine Mutter Blütenduft!
Ihr Schwestern all‘ und Brüderlein
Im süßen Hauch der Himmelsluft!

Ich schwebte gern mit euch umher
In Wald und Wiese, Au und Feld;
Nie war mein Herz von Sorgen schwer,
Ungern verlass‘  ich diese Welt.“

So sang der müde Schmetterling,
So sang er sich sein Sterbelied.
Kaum als er an zu leben fing,
War hin sein Leben und er schied

Erzählung der Woche 38/2010


Georg Queri

Die zwölf Blutegel des Zinserer Lipp
aus  Die Schnurren des Rochus Mang

Der Zinserer Lipp hat’s mit dem Kreuzweh zu tun und sagt dem Bader, daß es ein Wehdam sei schier zum Umkommen und wann er keine Salben nit hätt dafür und kein Pflaster auch nit, dann tät er ihn zeitlebens nimmer anschaun.
»Ich hab keine Salben nit für Deinen Wehdam«, sagt der Bader, »und kein Pflaster hab ich auch nit dafür. Aber Blutegel hab ich dafür, daß Dein Kreuzweh vergehn muß.«
Und er schickt dem Lipp zwölf Blutegel.
Wie er am anderen Tag zum Nachsehen kommt, da strahlt er wie ein Sieger, der Bader.
»Und Dein Wehdam,« sagt er, »der wird Dich heut wohl nimmer plagen?«
»Und wann mich auch der Wehdam im Kreuz hinten nimmer plagt, so hab ich’s jetzt im Magen und im Schlund. Deine Blutegel haben mir völlig nit gut getan.«
»Möcht ich wissen, warum und wegen was?« sagt der Bader.
»Wegen was und warum?« sagt der Zinserer und spuckt zu Boden. »Wann sie auch noch so schleimig sind und glitscherig, Deine Blutegel, aber sie wollen nit rutschen.«
»Indem daß einer überhaupt nit rutscht, was ein guter Blutegel ist. Sind wohl die allerbesten Blutegel, die meinigen.« Und einen Stolz setzt er auf, der Bader.
»Nit sind sie gut, Bader, gar nit. Da hab ich die Augen zudrucken müssen und hab denken müssen: Lipp, Du frißt itzt keinen Blutegel nit, Du frißt einen Lebzelten. Sonst wären sie gar nit hinuntergerutscht, die ersten vier.
»Und hast ihrer vier gefressen, Zinserer? Und hast sie wirklich gefressen?«
Der Bauer nickt. »Und aber die zweiten vier hat mir die Bäurin abrösten müssen im Schmalz, sonst wär’s wieder nit gangen.«
»In Schmalz hast Du die vier gefressen, Lipp?«
»Ja, und die hab ich im Schmalz gefressen. Aber es wird nit die richtig Kocherei gewesen sein und nit das richtig Butterschmalz. Die dritten vier hätt ich nit mehr so mögen und nit um ein Schloß und nit um die Welt!«
»Und wie hast die dritten vier gefressen?« fragt der Bader und hebt sich am Tisch fest, daß er nit herabrutscht von der Bank. »Hast die auch noch gefressen, Lipp?«
»Rechtschaffen hab ich sie heruntergebracht, weil die Bäurin einen scharfen Essig hingeschütt hat und einen Zwiefel dazugeschnitten. Die sind gar nit so viel schlecht gewesen.«
»Und Dein Kreuzweh, das ist alsdann weg?« sagt der Bader.
»Hab schier keinen Wehdam nimmer. Aber Deine Blutegel wollen dem Magen nit völlig gut sein. Ich mein, die muß er wieder hergeben, der Magen. Meinst nit auch?«
Der Bader hebt sich wieder am Tisch fest, aber nur eine Zeitlang. Und dann geht er schnell an die Tür.
»Ich mein schon auch«, sagt er und lauft davon.
Recht hat er gehabt, der Bader.