Hörbuch: Kennedys Hirn


Gekürzte Lesefassung. 343 Min.

  • Henning Mankell

5 CDs
2008, Spieldauer: 340 Minuten
Sprecher: Axel Milberg
Der HörVerlag
ISBN-10: 3867172145
I SBN-13: 9783867172141

Dieses Hörbuch habe ich eben frisch ausgehört und ich bin vom Sprecher Axel Milberg beeindruckt. Hier sitzt jede Betonung und die Stimme leitet angenehm durch das Werk, ohne dass der Zuhörer ermüdet.

Sprecher: Axel Milberg – das ist für mich ab jetzt ein Qualitätsmerkmal bei einer Hörbuchfassung und ein gutes Kaufargument.

Inhaltsangabe und Hörprobe hier

Kennedys Hirn, dieses Buch ist von Mankells Engagement für Afrika geprägt, dass der Autor in ein schwedisches Familiendrama verpackt hat. Trotz, oder gerade wegen des großen Engagements konnte mich das Werk nicht ganz überzeugen, wirkte auf mich nicht so rundum geschlossen, aus einem Guss, wie zum Beispiel seine Wallanderkrimis.
Trotzdem ist es hochinteressant und ein sehr wichtiges Buch, um den Autor Henning Mankell zu erfassen.

Erzählung der Woche 09/2010


Mark Twain

Berliner Eindrücke
aus Unterwegs und Daheim

Berlin hat mich im höchsten Grade überrascht. Keine Beschreibung, die ich früher in Büchern gelesen habe, trifft mehr zu. Das Berlin, wie es im vorigen Jahrhundert und noch in der ersten Hälfte des jetzigen war, die schmutzige, einförmige, häßliche Stadt, ist wie vom Erdboden verschwunden. Nur der Grund auf dem sie stand hat noch eine Geschichte und alte Überlieferungen, – Berlin selbst ist ganz neu, die neueste Stadt, die mir jemals vorgekommen ist.

Sogar Chicago würde altersgrau daneben aussehen. Im übrigen gleichen sich diese beiden Städte, was die flache Umgebung, das rasche Wachstum und die Einwohnerzahl betrifft. Mit Bestimmtheit behaupten kann ich das freilich nicht, da ich nicht weiß, wie viele Einwohner Chicago heute hat, vorletzte Woche waren es etwa anderthalb Millionen. Auch wegen der vielen geraden Straßen und der ungeheuern Raumverschwendung kann man Berlin das europäische Chicago nennen; die Straßen sind fast durchgängig so breit angelegt, wie ich es noch in keiner Stadt irgend eines andern Landes gefunden habe. ›Unter den Linden‹ sind drei Straßen in einer; die Potsdamerstraße ist auf beiden Seiten von Bürgersteigen eingefaßt, die breiter sind als die berühmten Hauptstraßen der größten Städte Europas; auch hat Berlin einen Park von ungewöhnlicher Ausdehnung.

Für die Bauordnung bestehen die sonderbarsten Vorschriften. Die Stadt ist aus lauter Steinriesen aufgetürmt, man darf in Berlin keine unsichern und unansehnlichen Häuser bauen, und so sind denn diese auffallend schönen und großartigen Gebäude entstanden, die weder mit Einsturz drohen, noch bei der geringsten Feuersbrunst ein Raub der Flammen werden. Die Baukommissäre nehmen ihre Besichtigung während des Baues vor; man hat gefunden, daß dies besser ist, als zu warten, bis das fertige Haus wieder einfällt. Bricht ein Brand aus, so herrscht dabei die größte Ordnung und Ruhe, die uniformierte Feuerwehr marschiert in Reih und Glied, so ernst und gemessen in Miene und Haltung, als ginge es zu einem Begräbnis, man glaubt die Heilsarmee einherkommen zu sehen, in tiefer Zerknirschung über ihre Sünden. Da das Feuer sich in den steinernen Gebäuden immer nur auf ein Stockwerk beschränkt, brauchen die übrigen Bewohner des Hauses sich nicht weiter darum zu kümmern.

Allabendlich findet eine wahrhaft verschwenderische Beleuchtung mit Gas und elektrischem Licht statt, Berlin bietet daher zur Nachtzeit einen entzückenden Anblick. Überall hat man eine Doppelreihe glänzender Lichter vor sich, die nach allen Seiten in gerader Linie weit in die Nacht hinaus läuft. Die dazwischen liegenden Plätze leuchten im Strahlenglanz, und zahllose Droschkenlaternen schießen wimmelnd in allen Richtungen hin und her, wie Schwärme von Leuchtkäfern an einem Sommerabend.

In keiner Stadt wird wohl so viel regiert wie in Berlin, aber ich wüßte auch keine die besser regiert wäre. Methode und System machen sich allenthalben geltend, in großen wie in kleinen Dingen und selbst bei den geringfügigsten Einzelheiten. Die Verordnungen stehen aber nicht etwa bloß auf dem Papier, so daß es dabei sein Bewenden hat, nein, sie treten wirklich in Kraft und werden bei Armen und Reichen ohne Gunst und Ungunst auf gleiche Weise durchgeführt. Der mühevolle, emsige Fleiß, die Ausdauer und Pflichttreue, welche die Behörde bei jeder Gelegenheit entfaltet, erregt Bewunderung – zuweilen auch Leidwesen. Das Erstaunlichste, was ich diesseits des Ozeans gefunden habe, ist die höfliche, unerschütterliche,  verfluchte Beharrlichkeit, mit welcher die Polizei ihren Willen durchsetzt und die Ordnung aufrecht erhält. Sie duldet keine Ansammlung von Menschen, weil daraus Ungehörigkeiten entstehen könnten; ja, träte plötzlich ein Erdbeben ein, so würde es die Berliner Polizei beaufsichtigen und ordnungsmäßig zu Ende führen.

Die Straßen werden sehr rein gehalten, aber nicht, wie es in New-York Sitte ist, mit schönen Worten und frommen Reden, sondern durch tägliche und stündliche Arbeit mit Kratzbürste und Besen. Kurz, man hat den Eindruck, daß hier eine Stadtverwaltung am Ruder ist, die vor keinen Kosten zurückscheut, wo die öffentliche Bequemlichkeit, Behaglichkeit und Gesundheit in Betracht kommt.

Nur eine Ausnahme muß ich erwähnen; das ist die Benennung der Straßen und die Nummerierung der Häuser. Zuweilen ändert sich der Straßennamen mitten in der Häuserreihe; man merkt dies erst bei der nächsten Ecke und weiß natürlich nicht, wo der Wechsel angefangen hat. In betreff der Hausnummern herrscht ein Chaos wie vor Erschaffung der Welt. Unmöglich kann die weise Berliner Stadtregierung eine derartige Einrichtung getroffen haben. Sie ist eines Blödsinnigen würdig; allein, so mannigfaltige Arten Verwirrung und Unheil anzurichten, wäre ein Blödsinniger nicht imstande sich auszudenken. Oft dient eine Nummer für drei bis vier Häuser, und doch steht sie nur auf einem derselben; dann wieder wird ein Haus z. B. mit Nummer 4 bezeichnet und die folgenden mit 4a, 4h, 4e, so daß man alt und schwach geworden ist, bis man bei Nummer 5 anlangt. Die Folge dieses systemlosen Systems ist die, daß man bei Nr. 1 keine Ahnung hat, ob Nr. 150 ein paar Meilen oder hundert Schritte weit sein mag. Obendrein steigen oder fallen die Zahlen ganz willkürlich; von 50 oder 60 gelangt man vielleicht  plötzlich zu 140, 139 u. s. w. und nur ein Pfeil giebt durch seinen Flug die veränderte Richtung an. Es ist um den Verstand zu verlieren, und bis hier nicht Abhilfe geschafft wird, muß man auf das Schlimmste gefaßt sein.

Als ich in Berlin war, fand eine Feier zu Ehren der berühmten Gelehrten Virchow und Helmholtz statt, welche beide fast zu gleicher Zeit ihr siebzigstes Lebensjahr erreichten. Schon seit Wochen war eine Deputation nach der andern eingetroffen, um den beiden Geistesheroen Glückwünsche, Ehrungen und Huldigungen aus allen Orten und Enden der Welt darzubringen. Die fernsten Städte, die berühmtesten Hochschulen beteiligten sich an diesen Kundgebungen.

Den Schluß derselben bildete der große Studentenkommers, der in einem mit Fahnen und Standarten geschmückten, glänzend erleuchteten Riesensaal gehalten wurde. An jedem der zahllosen Tische, die den ganzen Raum erfüllten, hatten vierundzwanzig Personen Platz. Ich war hocherfreut, einen Sitz an der Mitteltafel zu erhalten, an welcher auch die beiden Helden des Abends saßen, obwohl ich durchaus nicht gelehrt genug bin, um eine derartige Ehre zu verdienen. Es bereitete mir ein seltsam angenehmes Gefühl, mich in solcher Gesellschaft zu befinden, mit dreiundzwanzig Männern zusammen zu sein, welche an einem Tage mehr vergessen, als ich je gewußt habe. In Verlegenheit geriet ich nicht; die Gelehrsamkeit steht dem Menschen selten im Gesicht geschrieben und ich konnte mit leichter Mühe Haltung und Gebärden der Herren so nachahmen, daß mich die Menge auch für einen Professor hielt.

In kurzer Zeit war der ganze Saal voll, es hieß, es seien gegen viertausend Personen anwesend; auch alle Zwischengänge waren dicht besetzt. An jeder Tafel stand ein Student im Wichs seiner Verbindung. Diese Trachten sind alle von  reichem Stoff in glänzenden Farben und außerordentlich malerisch.

So weit mein Auge reichte, sahen alle die frischen, jugendlichen Gesichter nach einer Richtung hin; unverwandt hingen die Blicke sämtlicher Studenten an dem Platz, wo Virchow und Helmholtz saßen. Sie verschlangen die beiden Geistesriesen förmlich mit den Augen und die Verehrung der Herzen strahlte aus allen Mienen.

Mancher ausgezeichnete Gast war schon durch die Ehrengarde an seinen Platz geleitet worden, da erklangen noch einmal die drei Trompetenstöße und wieder fuhren die Rappiere aus den Scheiden. Vom fernen Eingang her blitzten die erhobenen Schläger – ›Mommsen!‹ ging es flüsternd durch die Reihen. Der ganze Saal erhob sich, rief, stampfte mit den Füßen, klatschte mit den Händen, rasselte mit den Biergläsern. Es war ein wirklicher Sturm. Dann drängte sich der kleine Mann mit dem langen Haar an uns vorbei und nahm seinen Sitz ein. Denkt euch meine Überraschung! Ich hatte ja nicht im Traum daran gedacht, daß ich den Mann leibhaftig vor mir haben würde, der die ganze römische Welt und alle Cäsaren in seinem lichtvollen Haupte trug. Meilenweit wäre ich gewandert, um ihn zu sehen, und hier saß er, ohne daß es mir die kleinste Mühe oder Reise oder sonst etwas gekostet hätte.

Die Musik spielte einen kriegerischen Marsch; es folgte der Toast auf den Kaiser, bei dessen Schluß alle Gläser auf einmal geleert und mit einem Schlage auf den Tisch gestoßen wurden. Es klang täuschend wie Donnergetöse. Mächtige Weisen ertönten, immer höher schwoll die Lust, die Schläger krachten, die Biergläser rasselten, die Begeisterung wuchs und ließ sich bald nicht mehr überbieten. Ich wenigstens fühlte mich außer stande, noch mehr darin zu leisten.

Die Feier des Abends schloß mit zwei von Studenten gehaltenen Reden und der Erwiderung von Virchow und Helmholtz.

Virchow ist seit langer Zeit Mitglied der Berliner Stadtverwaltung. Er arbeitet ebenso eifrig für das Wohl der Stadt wie jeder andere Stadtrat und für den nämlichen Sold: für nichts. Ich weiß nicht, ob wir in Amerika es unserm berühmtesten Mitbürger zumuten könnten, sich an der städtischen Verwaltung zu beteiligen und ob, falls wir es wagten, wir seine Wahl durchsetzen würden. Aber hier ist das Munizipalsystem so vorzüglich, daß die besten Männer es sich zur Ehre rechnen, unentgeltlich als Stadträte dienen zu dürfen und das Volk ist vernünftig genug, diese Männer zu bevorzugen und immer wieder zu wählen. Darum ist Berlin auch eine in jeder Beziehung gut und zweckmäßig verwaltete Stadt.

Gedicht der Woche 09/2010


Max Vogler

Erste Blumen

1876

Erste Blumen, ihr habt immer
Zaubrisch mir den Sinn befangen
In des jungen Frühlings Schimmer,
Sah ich sonder Prunk und Prangen
Stille euch am Wege blühn
Und dem Licht entgegenglühn!

Gestern um die Waldesecke
Bog ich, als der Abend kam
Und das Vöglein in der Hecke
Seine neue Wohnung nahm:
O die Freude, als ich wieder
Euch erschaut beim Klang der Lieder! . .

Denn ihr kündet ja auf’s neue,
Daß die ew’ge Kraft noch währt
Und Natur in alter Treue
Ihre schönen Kinder nährt,
Ob der Sturm auch auf sie schlug
Und des Todes Fahne trug!

Allen Sturm und alle Wetter
Hat ihr mächt’ger Geist verscheucht,
Und wir brauchen keine Götter,
Solang der sich noch nicht beugt:
Als das Licht der Erde liebt,
Solang es noch Frühling giebt!

gestorben 23.02.1632 – 1.märchenhafte Biografie


Giambattista Basile

Geboren ca. 1575 in Neapel,
gestorben am 23. Februar 1632 in Giugliano ( Süditalien)

Giambattista Basile wurde als Kind einer unbegüterten Bürgerfamilie geboren und verließ schon als Jüngling seine Heimatstadt. Nach einigen Lehr- und Wanderjahren trat er 1607 in den Militärdienst der venezianischen Flotte ein, die er bereits ein Jahr später wieder verließ, um nach Neapel zurückzukehren, wo er durch Vermittlung seiner Schwester, einer berühmten Sängerin, in den Hof des Fürsten Sciliano Scarafo aufgenommen wurde. Hier entfaltete er sein dichterisches Talent und zählte bald zu den bekanntesten Dichtern Neapels. Er gehörte zu den ersten Mitgliedern der literarischen Gesellschaft ‚Accademia degli Oziosi‘, der viele berühmte Dichter und Persönlichkeiten der damaligen Zeit angehörten.

Für seinen Fürsten, später auch am Hof von Mantua, schrieb er Oden und Madrigale für Festlichkeiten und Familienereignisse in italienischer Sprache. In Würdigung seiner Verdienste wurde er in den Adelsstand erhoben und erhielt verschiedene Posten als ‚governatore feudale‘ (Landesverweser). Im Gegensatz zu den meisten anderen Landverwaltern in Fürstendiensten nutzt er seinen Posten nicht zur persönlichen Bereicherung, sondern »kehrte aus diesen Ämtern ebenso arm zurück, wie sie angetreten hatte,« wie sein Biograph Benedetto Croce schrieb.

Sein berühmtestes Werk, die Märchensammlung ‚Das Pentameron‘, verfasste er nicht in Italienisch, sondern in der bildreichen neapolitanischen Sprache seiner Heimat. 1634 erschienen die ersten Märchen unter dem Titel ‚Lo Cunto de li Cunti‘ (Die Geschichte der Geschichte), bald gefolgt von weiteren. Das Werk hatte großen Erfolg, erfuhr bis heute zahlreiche Neuauflagen und wurde in viele Sprachen übersetzt; ins Deutsche zuerst im Jahre 1847 von Felix Liebrecht (Fassung im Projekt Gutenberg-DE).

Jakob und WilhelmGrimm kannten und schätzen das Pentameron, übersetzten Geschichten daraus und verglichen sie mit den zum großen Teil sehr ähnlichen Deutschen Volksmärchen.

Christoph Martin Wieland verwendete für seine Verserzählung ‚Pervonte oder die Wünsche‘ den Stoff aus der dritten Erzählung des ersten Tages.
Das Pentameron ist die älteste Märchensammlung des Europäischen Kulturraums.