aus der Märchensammlung „Drei Rosen auf einem Stil“
Autor unbekannt
Drei Rosen auf einem Stiel
Auf einem abgelegenen Hof, nahe bei einem großen Tannenwalde, lebte einmal ein Bauer, dem seine Frau schon vor Jahren gestorben war. Zum Glück hatte er aber zwei erwachsene Töchter, die eine blond und die andere schwarz; die führten ihm nun den Haushalt, versahen den Stall und das Hühnervolk und halfen auch draußen auf dem Felde mit, so gut sie konnten. Meist richteten sie es aber so ein, dass die eine dem Vater bei den bäuerlichen Arbeiten half, während die andere zu Hause blieb und dort nach dem Rechten sah. Denn es war nun einmal so, und niemand wusste eigentlich zu sagen warum, dass die zwei Schwestern sich nicht vertrugen, sondern sich wegen jeder Kleinigkeit zankten oder tagelang, ohne sich ein Wort zu gönnen, aneinander vorübergingen. Dem Vater aber waren beide gleich lieb; er bemühte sich redlich, keine der andern gegenüber zu bevorzugen, und erfreute sie häufig durch Geschenke, die sie sich immer selber wählen durften. Als er darum eines Tages wieder einmal auf den Markt ging, rief er sie zu sich in die Stube und fragte:
„Ihr wisst ja, heut ist Markt im Dorf drunten; was soll ich euch mitbringen?“
„Ich möchte ein schönes Sonntagskleid haben“, sagte die eine.
„Und ich wünsche mir drei Rosen auf einem Stiel“, entgegnete die andere. „Drei Rosen auf einem Stiel? . . . Wenn ich die nur bekommen kann“, sagte der Vater und machte sich auf den Weg.