Gedicht der Woche 20/2017


FesteKoeSt29

Es war eine Zeit, da blühten die Rosen –

sie blühten dir
und sie blühten mir,
uns beiden Heimatlosen.
Es war eine Zeit, da blühten die Rosen.
Hast du nicht oft zurückgedacht
an jene heilige, märchentiefe Nacht,
wo wir uns zuerst besessen?
Und wir meinten, es bliebe
eine ewige Liebe,
eine Liebe ohne Vergessen.
Und dann hat ein grauer Morgen getagt,
da gaben wir still uns die Hände-
wir haben nicht geweint und geklagt,
wir haben beide kein Wort gesagt
und das war das Ende.
Und wir suchten beide von neuem das Glück,
und wir gingen beide ins Leben zurück,
in das Leben der Heimatlosen-
du und ich,
jeder allein, jeder für sich.
Es war eine Zeit – da blühten die Rosen –

Manfred Kyber
das Gedicht ist erstmalig 1902 erschienen, hier übernommen aus dem Gedichtband Der Schmied vom Eiland;  Ausgabe von 1922, Walter Seifert Verlag, Stuttgart/Heilbronn

 

Seefeld in Tirol und Im Vollbesitz des eigenen Wahns


Seit einigen Jahren habe ich Freude am Winterwandern, weshalb ich gern Winterurlaub mache.
Ich hatte auch ein Roman zum Rezensieren mit dabei, hatte anfangs aber Mühe, mich dort einzulesen, sodass ich zwischenzeitlich auch immer mal zu einem dort rumliegenden  Hermann Löhns griff und unter anderem das folgende Gedicht gefunden hatte, welches für mein Empfinden  „leicht angestaubt“ wiedergibt, was ich am Winterwandern so schätze.
Eigentlich mag ich seine Gedichte nicht wirklich und diese Einstellung wurde durch sein Prosawerk, das den Nationalsozialisten so Wert war, verfestigt, aber  als Vordenker der Umweltbewegung benenne ich ihn trotzdem mit dem folgenden Teil-Zitat, dem  dann aber noch Rassegedönz folgt, auf das ich hier verzichte.
„Eine Macht muss die Naturschutzbewegung werden. Eine solche Macht, dass die Industrie, der Handel und der Verkehr mit ihr rechnen müssen. Vielfach hat man sich ihnen zuliebe in ganz unnützer Weise an der Natur versündigt. Und wenn wir sie hindern, solche Sünden weiter zu begehen, so werden wir heute vielleicht Hohn und Spott ernten. Die Nachwelt aber wird es uns danken.“
Löns ist im 1. Weltkrieg gefallen, wir wissen nicht, wie er sich weiterentwickelt hätte. Ich fand die Beschäftigung mit seinem Werk interessant um andere Schriftsteller seiner Epoche noch besser wertschätzen zu können, wie zum Beispiel Hans Fallada und die Brüder Mann.

Hermann Löns (1866-1914)
Bergwaldwildnis

Was frag ich nach den Menschen
Und nach der lauten Stadt,
Wenn mich die Bergwaldwildnis,
Die weiße Stille hat.

Die Buchenstämme stehen
So schwarz im weißen Schnee,
Seinen Schlafbaum sucht der Bussard,
Zu Felde zieht das Reh.

Der Fuchs bellt unten im Grunde,
Die Eule gibt keine Ruh,
Der Abendwind rührt an den Zweigen,
Der Schnee fällt immerzu.

Im Tale funkeln die Lichter,
Was kümmert mich ihr Schein,
Ich stehe oben am Hange
Und bleibe für mich allein.

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Aber nun zum eigentlichen Buch: Im Vollbesitz des Eigenen Wahns

Auch wenn ich anfangs schwer den Einstieg in diesen Rezensions- Roman gefunden hatte, er ließ mich irgendwann nicht los und von Abend zu Abend griff ich lieber zu diesem Buch.

Ursprünglich fand den Titel humorvoll und hatte das Buch deshalb mit in den Urlaub genommen, aber was ich las, war dann doch  heftig .
Dazu nervte mich anfangs der Satzbau der Übersetzung , welcher dem Leser  schon auf Seite 24 den 10. eingeschobenen Nebensatz „dachte sie“ bescherte und kein Lesevergnügen versprach – zum Glück bin ich langmütig und halte durch, denn der Stil wurde dann viel besser und bereitete  Lesevergnügen; was ich auch von der Story sagen kann.
Hilary Mantel schaffte es, von Leuten zu erzählen, über die keiner berichten möchte und trostlose Lebensumstände zu beschreiben – und der Leser will am Ball bleiben und will miterleben und doch wird er nicht endgültig verstehen können, was mit der Hauptheldin Myriel nun eigentlich ist.

Wie ich erst nach dem Lesen erfahren habe, ist dieses Buch eine Weiterführung des Romans Jeder Tag ist Muttertag und vermutlich hilft es, erst diesen Roman zu lesen, um mit der Geschichte klar zu kommen.
Zwar wird der Leser „Im Vollbesitz des eigenen Wahns“ im Verhältnis  der Personen zueinander geführt, aber das reichte mir nicht, Myriel wirklich verstehen zu können. Ich war eher wie in einem Horror-Film Zuschauer und musste mit wohligen Grusel konsumieren, was mir angeboten wurde.
Spannend ist das allemal, aber ob man das Buch als endgültig befriedigend empfindet, hängt vom eigenen Anspruch ab.
Mir hat das Buch zwar noch gefallen, weil ich mit Geschichten klar komme, die mir nicht alles erklären, aber Lust auf den Vorroman hat es mir nicht gemacht.

Gedicht der Woche 25/2016


Lyrik unterm Regenschirm

Fred Endrikat *1890 †1942

 Ich saß am Hesselohersee,
es tröpfelt–e und tröpfelt–e.
Ich dachte mir: Wie wunderbar
gegen heut‘ der vorige Sonntag war,
als sanft die Sonne lagert–e
wohl auf dem blitzeblanken See.

Wie wäre es auf Erden fein,
könnt‘ es doch ewig voriger Sonntag sein.
Wie sang schon einst so wunderschön
der Trompetersmann von Säckin-gen:
Es ist gar häßlich eingericht‘,
drum gibt’s kein‘ ewig vorigen Sonntag nicht! –

Am Tische saß ein Mann gerad‘,
der Kreuzworträtsel lösen tat.
Im Rasen spielt ein blondes Kind,
ein Kranz in seinen Locken hing.
Sein Antlitz war so zart und fein,
so zart und fein wie Elfenbein.

Ein Schwan durchschwante kühn den See,
ein Vöglein mich bekleckert–e,
die Geige schluchzte in die Höh‘,
mein Herz ergriff ein leises Weh.
Ich saß am Hesselohersee,
es tröpfelt–e und tröpfelte–e – – –

 

Es gibt Tage, an denen man dünnhäutiger ist


Dünnhäutigkeit an manchen Tagen zu haben – das kennen viele. Ich habe sie zur Zeit öfter, gerade auch. Das geht soweit, dass ich keine Nachrichten oder journalistische Sendungen mehr sehen kann oder will.

Letztens fiel mir ein Gedicht von Erich Kästner in die Hände, das mein augenblickliches Empfinden gegen diesen täglichen Wahnsinn in den Nachrichten auf den Punkt bringt.

TROSTLIED IM KONJUNKTIV
Wär ich ein Baum, stünd ich droben am Wald.
Trüg Wolke und Stern in den grünen Haaren.
Wäre mit meinen dreihundert Jahren
noch gar nicht sehr alt.

Wildtauben grüben den Kopf untern Flügel.
Kriege ritten und klirrten im Trab
querfeldein und über die Hügel
ins offene Grab.

Humpelten Hunger vorüber und Seuche.
Kämen und schmölzen wie Ostern und Schnee.
Läg ein Pärchen versteckt im Gesträuche
und tät sich süss weh.

Klängen vom Dorf her die Kirmesgeigen.
Ameisen brächten die Ernte ein.
Hinge ein Toter in meinen Zweige
und schwänge das Bein.

Spränge die Flut und ersäufte die Täler.
Wüchse Vergissmeinnicht zärtlich am Bach.
Alles verginge wie Täuschung und Fehler
und Rauch überm Dach.

Wär ich ein Baum, stünd ich droben am Wald.
Trüg Wolke und Stern in den grünen Haaren.
Wäre mit meinen dreihundert Jahren
noch gar nicht sehr alt….

Erich Kästner