Gedicht der Woche 16/2010


Der Frühling
Die Sonne glänzt, es blühen die Gefilde,
Die Tage kommen blütenreich und milde,
Der Abend blüht hinzu, und helle Tage gehen
Vom Himmel abwärts, wo die Tag entstehen.
Das Jahr erscheint mit seinen Zeiten
Wie eine Pracht, wo sich Feste verbreiten,
Der Menschen Tätigkeit beginnt mit neuem Ziele,
So sind die Zeichen in der Welt, der Wunder viele.

Hölderlin, Friedrich (1770-1843)


Adonisröschen in den „Pontischen Hängen“


Gestern war ich in den „ Pontischen Hängen“ unterwegs. Ponitsche Hänge, das klingt so antik, nach Herakles und seinen Gefährten. Und ist es ja auch, denn pontisch leitet sich von Pontos ab, was die griechische Bezeichnung für das Schwarze Meer ist und da gibt es doch das Pontus-Gebirge (türkisch Kaçkar Dağları) wie eine Reihe von Gebirgsketten im Norden der Türkei bezeichnet wird, das sich entlang  der Schwarzmeerküste von Kleinasien erstreckt. Aber da war ich nicht, ich blieb im Lande, machte nur einen Ausflug an die Oderhänge. Diese Hänge fallen in südliche Richtung ab und sind ein interessantes Trockenrasenbiotop mit besonderem Klima, dem sie ihre Bezeichnung zu verdanken haben. Nachts kalt, tags sonnig, ein Klima, dass das aus Sibirien und dem Altai stammende Frühlings-Adonisröschen liebt, dessen Samen vom Wind bis an die Oderhänge getragen wurde und dort gute Wachstumsbedingungen fand.

Da die Blütezeit gerade begonnen hat, wird in den nächsten zwei Wochen noch die Möglichkeit bestehen, sich die kleine Besonderheit zu erwandern, solange keine Hitzewelle kommt.

Normalerweise besucht man die Adonisblüten in Lebus, wir waren diesmal in Podelzig. Da hat man zwar nicht den schönen Blick auf die Oder, ist dafür aber fast allein.

Adonisröschen gibt es verschiedene Arten. Nach der griechischen Mythologie sollen Adonisröschen aus den Tränen der Aphrodite entsprossen sein, als diese den Tod des Adonis beweinte und dann hat das Blut des sterbenden Adonis die Blüten rot gefärbt.
Unsere  gelb blühenden Art sind also noch die reinen Tränen der Aphrodite.

Blutrote Arten sehen u.a. so aus:

Gedicht der Woche 20/2009


Rumi

(1207-1273)

(in der Übersetzung von Friedrich Rückert 1819)

Komm, o Frühling meiner Seele, Welten wieder mache neu!

Licht am Himmel, Glanz auf Erden, hoch und nieder mache neu!

Setze mit dem Sonnenknaufe blau der Lüfte Turban auf,

Und der Fluren grünen Kaftan, holder Chider, mache neu!

Mache Wiesen frisch von Kräutern, und von Sprossen Haine jung,

Rosen-Schnürbrust und der Lilie schlankes Mieder mache neu!

Schmelze mit dem Hauch des Winters Helm und Panzer, mit dem Blick

Brich den Frostspeer; unsern Frieden, Weltbefrieder, mache neu!

Ohne Ostwind ist die Luft tot, und der Rosen Odem stockt.

Aus dem Schlummer weck den Ostwind, sein Gefieder mache neu!

Roll‘ in Donnern, geuß aus Wolken auf die Erde Moschusflut,

Laß von Kopf zu Fuß uns baden, alle Glieder mache neu!

Pinie schlägt im Winde Pauken, Platanus mit Händen Takt.

Hauch der Liebe, deine Traumdüft‘ unterm Flieder mache neu!

Reben ringeln sich an Ulmen zur Verehrung Gottes auf,

Veilchen küssen Staub; Lenzandacht, o Gebieter, mache neu!

Hyazinthe kost mit Tulpen, und von Rosen Nachtigall,

Turtel girret süße Weisen; Parsilieder mache neu!

Zünd in Blüten Opferfeuer, Weihrauchglut in Düften an,

Und als Flöten alle Gräser, Rohr‘ und Rieder mache neu!

Laß die Blätter Zungen spitzen, Liebesfragen auf der Flur

Zu verhandeln, ihren Scharfsinn für und wider mache neu!

Hörst du? Frühluft, Frührot, Frühlicht ruft: Steh früh im Frühling auf,

Freund, mit Frühtau deines Geistes Augenlider mache neu,

Daß du Lenzgeheimnis schauest! Blumenschmelz ist Alchimie:

Festgeschmeid‘ im bunten Feuer, rüst’ger Schmieder, mache neu.

FeldBaum